Nach Totensonntag, dem letzten Sonntag vor dem 1. Advent habe ich eigentlich immer alle Weihnachtsdekorationen und Lämpchen angebracht, damit ich mich auf die Weihnachtsbäckerei konzentrieren kann. In diesem Jahr ist alles anders.
BG’s Mutter kam nach ihrer Lungenembolie und -punktion von der Intensivstation auf ein Einzelzimmer.
Sehr erbost und hysterisch weinerlich, war sie fest davon überzeugt, dass sie zum Sterben dahin abgeschoben worden wäre. Ihr ganzes Zimmer hätte nur Farben in gelb und schwarz, und wir hätten ihr Gebiss verbummelt, ihre Nachthemden vergessen, ihren Rollator nicht mitgebracht usw … Sie rief bis spät abends mehrmals an um uns Vorwürfe zu machen – und dann einfach aufzulegen, als wir etwas erwidern wollten.
In DD, Dortmund ist vieles in gelb und schwarz. Schließlich ist es die Farbe von BvB. Ob ihr Zimmer wirklich so ausgesehen hatte, weiß ich nicht. Spät abends waren wir nicht mehr im Krankenhaus. Nachthemden hatte sie genug im KH-Schrank. Sie muss aber eh noch einige Tage ihr Engelhemd tragen, damit die Drainageschläuche der Lunge und Blase nicht gestört werden. Ihren eigenen Rollator hatte BG ihr diesmal nicht mitgebracht, weil wir nach dreimaligem Hin- und Hergefahre, der drei verschiedenen Krankenhäusern, diesmal die Schwester vorher gefragt hatten. Diese sagte, dass es auf der Station genug Rollis gäbe, und damit ein eigener nicht notwendig wäre.
Alle 2 Tage und am WE fahren wir ins KH. Gestern war es wieder so weit. Sie lag in einem normalen, weiß gestrichenen Dreibettzimmer, nur das Mittelbett fehlte. Da die Dame neben ihr Besuch hatte, spielte sie wieder die Todkranke, obwohl uns der behandelte Arzt kurz vorher mitgeteilt hatte, dass es ihr außerordentlich gut gehe, nur nun aufgepäppelt werden müsste. Wie üblich fanden wir wieder einige Tabletten von ihr auf dem Fußboden. Sie nimmt nur Tabletten, wenn sie momentan Lust hat welche zu nehmen. Sie schwelgt allerdings ständig im Selbstmitleid und macht es uns immer schwerer gutgelaunt zu ihr zu fahren.
Wir sind nicht ungerecht, und nein, wir vergessen auch nicht, dass sie Anfang Dezember 91 Jahre wird. Doch da sie im Kopf noch völlig klar ist, sollte sie wissen, dass man Menschen nicht erpressen kann, einen lieb haben zu müssen. Man sollte sich schon so benehmen, dass man liebenswert ist. Beleidigungen und emotionales Hin- und Hergeschupse ist da eher abträglich.
Ich spüre ein Gefühl der wütenden Nutzlosigkeit, denn obwohl ich alles mache was ich nur machen kann, scheint es nicht genug positiv zu sein. Ich will raus, spazieren gehen, Tiere streicheln und Natur sehen, statt nur ständig im Krankenhaus rumzusitzen und später Nachtwäsche waschen. Ich brauche Freizeit zum Ausgleich und Freiraum um nicht wütend zu bleiben.
Mein eigener Körper schwemmt dahin, wie die Uhr von Salvador Dalí.
BG’s Mutter war schon so manches Mal früher recht fies. Jetzt im Alter kann sie ihre Gemeinheiten und Sticheleien nicht mehr verstecken. Ich empfehle ihr in Gedanken nett zu sein, denn sie wird uns brauchen, weil sie absolut nicht ins Heim will.
Das Schlimmste am Alter erscheint mir, dass man geistig fit ist, aber der Körper nach und nach versagt. Es kann niemand aufhalten …
lg Archi
********************************